2025 | Julia Gruner | Universal Azo Fizz - Eine Dekonstruktion

Julia Gruner lotet in ihrer künstlerischen Arbeit die Grenzen des Mediums Malerei aus. Ein wichtiger Teil ihrer Arbeit ist hierbei die experimentelle Erforschung des Materials Farbe – als eines der zentralen Elemente von Malerei – in ihren chemischen, physikalischen und materialästhetischen Eigenschaften. Beispielsweise benutzt sie Farbe als Material zur Herstellung dreidimensionaler Arbeiten, untersucht Farbpartikel, die beim Malprozess übrigbleiben, unter dem Mikroskop oder experimentiert mit dem Scannen farbiger Flüssigkeiten. Dabei fließen naturwissenschaftliche, kunsthistorische und wahrnehmungstheoretische Überlegungen genauso in die Arbeit ein wie alltägliche Dinge.
Ihr Kienbaum Artists‘ Book hat Julia Gruner aus ihrer Werkserie Domestic Paintings entwickelt. Für diese erstellt sie hochaufgelöste Scans von alltäglichen Haushaltsflüssigkeiten und -materialien. Ihr Interesse gilt den Farben und den Materialeigenschaften von z. B. Zahnpasta, Mundwasser, Shampoo, Speiseöl, Frischhaltefolie oder auch Putzhandschuhen.
Das Buch mutet einer wissenschaftlichen Analyse der „häuslichen Malmittel“ an, mit denen sie sehr ästhetische abstrakte Bilder erschafft.




Eine Dekonstruktion
Das Künstlerbuch besteht aus vier sich ergänzenden Teilen, die mit einem schwarzen Gummiband zusammengehalten werden: Der Umschlag ist ein gefaltetes Poster (1/4) und darin liegen drei sich in ihrer Größe unterscheidenden Hefte (Zoom 2/4, Scan 3/4 und Index 4/4).
Im zum Umschlag gefalteten Poster sieht man verschiedene Plastikverpackungen in Rot, Blau, Gelb oder Grün. Von ihren Labeln befreit, konzentriert sich der Blick auf die unterschiedlichen Formen und Farben dieser Behälter. Entfaltet und dreht man das Poster um, finden sich dort der Inhalt mancher diese Verpackungen oder eben auch die Palette an „Malmitteln“ der Künstlerin: Die Farbkleckse von Brausetablette, Sonnenmilch, Haarpflegeprodukte, Badezusätzen, Kosmetik oder Lebensmitteln sind ordentlich aufgereiht und anhand von Nummern genau zu bestimmen.
Das erste und größte Heft Zoom ist ein reines Bilderbuch mit seitengroßen Abbildungen. Dort kann man sich in den Detailreichtum verlieren, was dies Haushaltsflüssigkeiten auf der Scanneroberfläche veranstalten, wie sie sich vermischen, abstoßen und reagieren.
All diese farbintensiven Bilder sind Ausschnitte und zeigen Julia Gruners Spiel von Kalkulation und Zufall beim Zusammenmixen oder -matschen der unterschiedlichsten Haushaltsflüssigkeiten.
Das Heft Scan enthält 11 ganzseitige Abbildungen der hochaufgelösten Scans. Mit weißen Linien werden die Details angezeigt, wie sie dann im Heft Zoom erscheinen. Einerseits erinnert auch diese grafische Aufarbeitungan die Art und Weise, wie in der Weltraumfotografie, die Vergrößerungen von z.B. Sternenhaufen oder Galaxien gekennzeichnet werden, anderseits kann man dabei auch den Blick der Künstlerin verfolgen, wie sie aus dem großen Scan die Ausschnitte wählt, die für sie als eigenständige Kompositionen gut funktionieren.
Den Abbildungen steht in diesem Heft eine Textseite gegenüber. Dort findet sich die vielversprechenden Titel der Scans, mal verführerisch wie Sweet Galaxy oder Tropical Glow, technisch-wissenschaftliche wie Pearl Technology, Cosmic Inflation und eine genaue Zutatenliste und ihrer Inhaltsstoffe mit denen die Künstlerin die abstrakten Bilder geschaffen hat. In der Aufzählung der Inhaltsstoffe werden die Farbstoffe durch Unterstreichungen hervorgehoben.
Es sind genau diese Farbstoffe, um die es im dritten Heft Index geht: Die Farbstoffe, die dafür genutzt werden, um Lebensmittel, Kosmetika, Arznei oder auch andere Haushaltflüssigkeiten zu färben und diese somit für den Menschen attraktiver zu machen, werden hier mit ihrer üblichen Verwendung und auch Verträglichkeit beschrieben. Die meisten Texte sind Exzerpte von Wikipedia-Artikeln, für jedermann zugänglich, doch in dieser Zusammenstellung und auch mit der Hervorhebung durch die Künstlerin wundert man sich über den leichtfertigen Einsatz bestimmter Mittel.
Über die Künstlerin
Julia Gruner lebt und arbeitet als freischaffende Künstlerin in Köln. Sie studierte Freie Kunst an der Kunstakademie Düsseldorf bei Prof. Katharina Grosse, bei der sie 2015 als Meisterschülerin abschloss. Ihre künstlerische Arbeit wurde mit verschiedenen Preisen und Stipendien ausgezeichnet, unter anderem Arbeitsstipendien der Stiftung Kunstfonds und der Kunststiftung NRW, sowie dem Förderpreis für Bildende Kunst der Stadt Düsseldorf und dem GWK-Förderpreis Kunst. Mit einem Stipendium des DAAD verbrachte sie 2018 drei Monate in der SASG Residency in Seoul, Südkorea. 2019 folgte ein Aufenthalt in London im Rahmen der Elephant Lab Residency. Julia Gruners Arbeiten werden national und international ausgestellt, unter anderem im Museum Kunstpalast Düsseldorf, der Kunsthalle Wilhelmshaven, der Galeria Municipal do Porto, dem Westfälischen Kunstverein Münster oder dem Dortmunder Kunstverein, und befinden sich in zahlreichen öffentlichen und privaten Sammlungen, wie der Sammlung Kienbaum.