Köln

Seit 2016 befindet sich der Hauptsitz der Firma Kienbaum Consultants International GmbH in einem großen Gebäudekomplex im Airport-Businesspark Köln. Für die Sammlung Kienbaum hat der Umzug eine spürbare Veränderung ausgelöst. In dem großzügigen Bau mit einem weitläufigen Park haben sich die Möglichkeiten erweitert, Kunst zu präsentieren, was zu einer zunehmenden Sichtbarkeit der Sammlung geführt hat.

Die Sammlung Kienbaum wird seit jeher an allen deutschen Firmenstandorten gezeigt. Der Großteil der Sammlung befindet sich jedoch am Hauptsitz, wo nun großformatige Arbeiten und repräsentative Werke gezeigt werden können. Dazu wird eine Fläche, direkt vor den großen Konferenzräumen, für wechselnde Präsentationen genutzt, und auch im Park wurden in den letzten Jahren einige Außenskulpturen errichtet.

 

Die Architektur der Firmenzentrale ist weitläufig und offen, denn Durchbrüche zwischen den einzelnen Etagen und eine große Galerie im Eingangsbereich lassen viele Blickrichtungen zu. Das ermöglicht spannende Wechselbeziehungen zwischen den Kunstwerken, die in allen Bereichen, ob Treppenhaus, Flur, Besprechungsräumen oder Teambüros, installiert sind.

Architektonisch besonders markant ist die große Eingangshalle (intern auch als Magistrale bezeichnet). Von dieser Eingangshalle geht es zu allen Bereichen, sie ist somit Kreuzung und Treffpunkt, bietet Fläche für Veranstaltungen und Meetings, und ist doch auch Kunsthalle.

Direkt zu Beginn der Eingangshalle steht eine Vitrine mit zwei Arbeiten des amerikanischen Künstlers Dan Flavin (*1933- †1996). Dan Flavin ist in erster Linie für seine Lichtarbeiten bekannt. Anfang der 1960er begann er, mit weißen oder farbigen Leuchtstoffröhren, Skulpturen oder Installationen zu schaffen. Durch die Verwendung von industriell gefertigten Neonröhren, die sonst in Fabriken, Bürogebäuden oder Leuchtreklamen zum Einsatz kamen, gehört er zu einem prominenten Vertreter des Minimalismus und bekennt sich zur Arte povera, der Kunst mit alltäglichen, „armen“ Dingen. Seine Werke aus Neonröhren erscheinen als Objekte, aber sie verändern auch die Wahrnehmung von Räumen, wenn das Licht Wände in Farbe taucht, so dass sie sich aufzulösen scheinen, und selbst den Betrachter farblich transformiert.

Die beiden Arbeiten der Sammlung Kienbaum sind einerseits ungewöhnlich für den Künstler, da er für diese Papier verwendet hat. Anderseits gelingt ihm auch hier mit minimalen Eingriffen und unter Verwendung von Farbe, kleine aber faszinierende Objekte zu schaffen. Das runde handgeschöpfte Papier ist nur an einer Stelle zusammengenäht, allein dadurch entsteht eine Röhre, die ein Wechselspiel zwischen Innen und Außen wie auch zwischen den intensiven, hellen und dunklen Farbtönen kreiert, welches fast an das Leuchten seiner Neon-Arbeiten erinnert.

Wie eine formale und farbliche Fortsetzung der Arbeiten von Dan Flavin wirkt die Skulptur von Birgit Werres (*1962) aus zerquetschten Tonnen, die aneinander gelehnt, wieder die runde, längliche Form einer Röhre bilden, die aber auch wie eine Wirbelsäule mit den einzelnen Gliedern erscheint.

Birgit Werres ist eine zentrale Position in der Sammlung Kienbaum. Am Düsseldorfer Standort, bei dem ein besonderes Raumkonzept [Verweis auf Standort Düsseldorf] umgesetzt wurde, ist einer der Besprechungsräume nach ihr benannt. Die Künstlerin entwickelt ihre Skulpturen aus gefundenen oder in der Industrie eingesetzten Materialien. Wie eine Sammlerin oder Jägerin trägt sie bei Streifzügen durch Industriebrachen, Großbaustellen oder Produktionsstätten ungewöhnliche Materialien zusammen. Sie entreißt diese ihrem Kontext und der ursprünglichen Funktion, als Kunstobjekt verleiht sie den Materialien Eigenständigkeit und Präsenz, so dass ihre Formen und Farben in ihrer Besonderheit aufs Neue wahrgenommen werden.

Von Birgit Werres befinden sich noch weitere Arbeiten in der Magistrale, die dort mit der sie umgebenden Architektur oder auch den benachbarten Werken ein interessantes Zusammenspiel entwickeln. Ein Metallgitter an der Stirnwand der Magistrale wirft bei Sonneneinfall wellige Linien auf die Wand, die wie eine Zeichnung wirken. Die Gitterstruktur findet ihr Pendant in Weaving No 1 (2022), den ineinander verwobenen farbigen ausrangierten Besenstilen von Eva Robarts (*1982) oder auch in den sich überlagernden Aluminiumplanken von Imi Knoebels (*1940) großer Arbeit AIMMAI. Im Treppenhaus und auch rechts neben dem Eingang zum Bürotrakt Clubhaus hängen zwei Wandarbeiten von Birgit Werres. In diesen kombiniert sie zwei Materialien. Mal wird eine Lochfolie gewickelt und von einem grünen Kunststoff-Schlauch umschlungen, so dass schon fast etwas Organisches entsteht, das an einen Kokon erinnert, in dem sich eine Larve verpuppt. Ein anders Mal wird eine blaue Folie erhitzt und verdichtet und von einem dicken Metalldraht umwickelt als würde dieser einen geschliffenen Edelstein umfassen.

Ähnliche Assoziationen wecken die Arbeiten von Wilhelm Mundt (* 1959). Der pinkfarbene, große Klumpen unterhalb der Haupttreppe ist ein Trashstone des Künstlers. 1989 begann Wilhelm Mundt an dieser Werkgruppe zu arbeiten, in der er Produktionsrückstände aus dem Atelier sammelt und zusammenschnürt und in aufwändigen Arbeitsschritten mit einer festen Hülle aus Glasfaser, farbigem Kunstharz, Bronze oder Aluminium ummantelt. Jeder Stein wird nummeriert. Die dreistellige fortlaufende Nummer suggeriert fälschlicherweise eine industrielle Serienfertigung, dabei ist jeder Stein ein Unikat. In den vergangenen 30 Jahren sind so hunderte von Trashstones entstanden, die sich in Größe, Gewicht, Hüllenmaterial und Farbigkeit unterscheiden. Trashstone #537 gehört dabei zu der mittleren Klasse in Bezug auf Gewicht und Größe. Auch einige kleinere und leichtere Trashstones sind Teil der Sammlung Kienbaum. Die unterschiedliche Erscheinung eines jeden Trashstones weckt variierende Assoziationen: an Meteoriten, Kokons oder auch Billardkugeln. Neben den Aspekten Formfindung, Herstellungs- und Fertigungsprozess, die man als künstlerische Fragen für eine abstrakte Bildhauerei sehen kann, thematisieren die Trashstones die nun seit Jahrzehnten drängende Frage der Nachhaltigkeit und die Problematik des vom Menschen verursachten Mülls.

Julia Gruner (*1984) gehört zu den jüngeren künstlerischen Positionen der Sammlung Kienbaum. In ihren Kunstwerken untersucht sie das Ausgangsmaterial für Malerei – Farbe – in immer neuen und experimentellen Ansätzen. Dabei verhandelt sie auf spielerische und ironische Weise kunsthistorische Theorien und Konzepte, die sich um die Ästhetik, die Aufteilung in klassischen Kategorien, der Abgrenzung von Kunst und Alltag drehen. Das künstlerische Material vieler ihrer (frühen) Arbeiten ist Acryl-Farbe: diese setzt sie als skulpturales Material ein, nimmt sie unter die Lupe, recycelt und strapaziert sie. Ihr Farbobjekt Regenhaut von 2017 besteht ausschließlich aus Acrylfarbe. Vom Träger gelöst (eigentlich einem konstituierenden Merkmal von Malerei) entwickelt diese eine skulpturale Eigenständigkeit. Ganz bewusst greift die Künstlerin die Form einer Regenjacke auf. Julia Gruner irritiert damit bewusst die konventionellen Erwartungen an das Erscheinungsbild von Malerei, macht aber gleichzeitig auch auf die Nähe von Gebrauchsgegenständen und Kunst aufmerksam.

Im Eingangsbereich entsteht durch die Galerie eine schmale längliche Wand. An dieser sind zwei extrem querformatige Arbeiten von David Reed (*1946) installiert. Die Sammlung Kienbaum versammelt von David Reed über dreißig Werke aus sämtlichen Schaffensphasen, darunter Schlüsselwerke und ausgesprochen seltene Arbeiten aus dem Frühwerk. David Reed ist ein Maler, der sich intensiv mit der Malereigeschichte auseinandersetzt. Er interessiert sich z.B. sehr für spanische und italienische Barockmalerei, studiert intensiv die verwendeten Farben und wie mit diesen eine bestimmte Stofflichkeit – ob Samtmantel oder gefalteter Stoff – erzielt wird. Seine Werke haben die Erscheinung von schnell gemalten Bildern, dahinter liegt aber ein langwieriger, bisweilen mehrjähriger Prozess.

Der prägende Eindruck seiner abstrakten Gemälde entsteht aus farbintensiven Schlaufen, Wellen, Schwüngen und Pinselstrichen. Durch Überlagerung, Verschiebung, Unterbrechung und Aussparung schafft David Reed in der planen Fläche eine Plastizität von fast dreidimensionaler Wirkung. Die ältere Arbeit #470 (2001) gehört zu den weißen Bildern, in denen der Künstler kontrastreich mit der weißen und der farbigen Fläche der Schlaufen spielt. Es wirkt wie als würde die Farbe von einer Seite in die Bildfläche hineindrängen und als würde sie die „Leere“ der linken Hälfte zur eigenen Entfaltung benötigen, vergleichbar einem Ton, der einen Raum zum Klingen braucht. Die zweite Arbeit #691 ist zwischen 2017 – 2018 entstanden und von David Reed speziell für diesen Standort konzipiert worden. Markant an dieser Arbeit ist der Gegensatz von einer vertikalen, geometrischen Unterteilung der Leinwand und einem freien Farbauftrag aus Schwüngen, Schlaufen und Spritzern.

Der gelbe Hintergrund wird durch fünf türkisfarbene, vertikale Streifen in vier gleich große Abschnitte unterteilt. Die rostrote Farbschicht, die sich über alle vier Bildbereiche erstreckt, zeigt einen wilden malerischen Gestus und bei genauerem Hinsehen lässt sich aber die Technik des Farbauftrags per Palettmesser und die partielle Wegnahme bzw. das Abschleifen der Schichten deutlich erkennen. Wie ein Störelement wird die farbige Komposition von einem schwarz-weißen Motiv unterbrochen. Dabei handelt es sich um ein Bildelement aus einem früheren Werk Reeds, das er digitalisiert skalierbar macht und mithilfe von Schablonen in seine neuen Arbeiten überträgt. Es ist eine kritische Reflektion des Pinselstrichs, der in der Malerei emblematisch für die Handschrift des Künstlers steht, und hier durch die Reproduktion karikiert wird.

Einen guten Eindruck in die Arbeitsweise von David Reed vermittelt sein Kienbaum Artists‘ Book von 2008. In diesem hat der Künstler erstmals seine Arbeitszeichnungen veröffentlicht. In akribischen Notizen – wie in einem Tagebuch – sind dort Reeds Gedanken und die Arbeitsprozesse zu seinen Bildern dokumentiert und gewähren somit den Blick direkt ins Atelier und über die Schulter des Künstlers. Anders als bei Vorzeichnungen entstehen die Zeichnungen am Ende eines Arbeitstags, sie halten also nachträglich fest, dass viele Entscheidungen direkt beim Malen fallen oder auch rückgängig gemacht werden, wenn Farbflächen korrigiert, übermalt und abgeschliffen werden.

Imi Knoebel (*1940) gehört zu den zentralen Künstlerpersönlichkeiten des Rheinlands und auch zu einer der wichtigen künstlerischen Positionen der Sammlung Kienbaum [auch ihm wurde ein Raum am Düsseldorfer Standort gewidmet]. Er studierte an der Kunstakademie in Düsseldorf bei Joseph Beuys und gilt als bedeutender deutscher Vertreter der Abstraktion der Nachkriegszeit. Seine serielle Arbeitsweise ist geprägt von einem geometrischen Formenvokabular, der Verwendung von ungewöhnlichen Materialien wie z.B. Aluminium, Beton, Glas, Hartfaserplatten und einer facettenreichen Farbpalette

Die Stirnwand der großen Eingangshalle wird dominiert von zwei Werken von Imi Knoebel: im Erdgeschoss hängt eine kleinformatige, 6-teilige Arbeit aus der Serie der Portaits und auf der ersten Etage eine große Aluminiumarbeit. Durch einen großen Durchbruch in der Galerie können die beiden Werke miteinander in Verbindung gesetzt werden.

Die Werkserie Portraits kennzeichnet eine strenge und gleichbleibende Strukturierung der Bildfläche in fünf Farbfelder. Imi Knoebel schichtet mit Acrylfarbe bemalten Papiere so übereinander, dass eine einfarbige Grundfläche von gleich großen, ebenfalls monochromen Streifen überlagert wird. Diese überdecken sich wiederum, woran man erkennen kann, welcher Streifen zuletzt montiert wurde. Die Bilder suggerieren Architektonisches wie eine Tür, ein Fenster, eine Fassade, aber auch eine streng schematisierte Darstellung eines Gesichts. Durch die Verbindung des strengen Formschemas mit unterschiedlichen Farbkombinationen, die leuchtende Kontraste wie subtile Nuancen einschließen, wird dem Einzelbild Individualität verliehen.

In den 1990er Jahren beginnt Imi Knoebel Aluminium als Träger für seine Malerei zu nutzen. Auch hier greift er auf seine typischen künstlerischen Vorgehensweisen von Wiederholungen, Schichtungen und Überlagerungen zurück. Insbesondere bei der großformatige Aluminiumarbeit AIMMAI (2003) entwickeln Material und Gestaltung einen spannungsreichen Kontrast: Der Farbkörper, der durch die Schichtungen und Überlagerungen des Materials an Masse und Gewicht zunimmt, gewinnt an Leichtigkeit durch den dünnen, lasurhaften Farbauftrag wie auch die Farbintensität. Der rätselhafte Titel wirkt fast wie ein Palindrom, in dem die Buchstaben gespiegelt werden, jedoch mit einer kleinen Verschiebung. So wirkt es, als würde der Künstler sein Spiel mit Formen, Überlagerungen und Wiederholungen mit der visuellen Struktur der Buchstaben fortsetzen.

Richard Allen Morris (*1933) ist als Künstler Autodidakt, denn während seiner Dienstzeit auf einem amerikanischen Flugzeugträger brachte er sich das Malen mithilfe von Kunstbüchern und Magazinen selbst bei. Trotz seiner langjährigen Karriere bleibt Morris eine relativ unbekannte Figur in der breiten Öffentlichkeit, er wird jedoch sehr geschätzt von Kennern der zeitgenössischen Kunst und vor allem auch von anderen Künstlern. Eine lange Freundschaft verbindet ihn z.B. mit David Reed, den Morris kurzzeitig sogar unterrichtete. Richard Allen Morris arbeitet oft mit Acrylfarben und verwendet Techniken wie das Auftragen und Abkratzen von Farbe, um komplexe Texturen zu erzeugen. Dabei integriert er häufig auch Alltagsgegenstände wie z.B. Zeitschriften, Nägel, Schreibwarenartikel und andere nicht-traditionelle Materialien in seine Werke.

Seine Werke sind oft abstrakt und erforschen Themen wie Form, Farbe und Textur, wobei sie manchmal subtile narrative Elemente oder humorvolle Anspielungen enthalten. Gleichzeitig greift er die verschiedensten Strömungen der Kunstgeschichte auf. Die Sammlung Kienbaum versammelt einige Werke von Richard Allen Morris und im Besprechungsraum Salon ist in lockerer Hängung eine Auswahl davon zu sehen, die 40 Jahre von Richard Allen Morris‘ Schaffen und seiner enormen Vielseitigkeit zeigen. So gibt es Anleihen an die Ästhetik der französischen Affichisten, der Pop Art eines Robert Rauschenbergs, eine humorvolle, selbstironische Variante der Konzeptkunst eines Joseph Kosuths oder auch eine Vorwegnahme von Gerhard Richters Rakelbildern.

Seit Anfang der 90er Jahre geht Fabián Marcaccio (*1968) in seinem künstlerischen Werk der Frage nach, ob das „gemalte Bild“ im digitalen Zeitalter bestehen kann. Er gehört zu den Künstlern, die Jochen Kienbaum kontinuierlich über die letzten 30 Jahre gesammelt hat. Über diese Zeit hat er eine stark wiedererkennbare Formensprache entwickelt wie z.B. den idealisierten Pinselstrich, die Leinwandstruktur oder die tropfende Farbe, die wie Metaphern für die Malerei stehen. Dazu kommen Formelemente, die eher einem digitalen, technologischen Kontext entlehnt wirken wie die Schnittmarken aus dem Druckwesen oder die Unschärfe der scheinbar verpixelten Leinwandstruktur.

Die Arbeit Paint-Zone #15 von 1995 gehört zu den frühen Arbeiten in der Sammlung und auch zu einem Werk aus den Anfängen der künstlerischen Karriere von Fabián Marcaccio. Zwar arbeitet der Künstler mit den klassischen Mitteln der Malerei wie Leinwand, Pinsel und Farbe, sein großes Interesse an technischen Entwicklungen und Produktionsweisen fließt aber mit ein. Die Bildsprache in seinem Werk betont das Prozesshafte und Transformative: Er analysiert, wie industrielle und digitale Fertigungsmethoden Arbeits- und Sehgewohnheiten beeinflussen und verändern, und spielt das in seiner eigenen Arbeit der Malerei durch. Seine späteren Werke greifen verstärkt diesen transformativen Charakter auf, scheinen sich selbst aufzulösen, in den Raum zu greifen und zu mutieren.

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