DÜSSELDORF

Die Konzeption des Düsseldorfer Büros richtet sich nach den New-Work-Gedanken: Die Anzahl der Einzelbüros wird zugunsten unterschiedlicher Arbeitsflächen reduziert. Mehrere Großraumbüros sowie ein Design-Thinking-Raum und kleine Rückzugsräume spielen eine stärkere Rolle in der räumlichen Aufteilung. Dieses Konzept ist standortübergreifend und Ausdruck der Firmenkultur, die den Austausch zwischen Mitarbeitenden fördert.

Genauso ist es mit der Kunst, die nicht mehr vom Unternehmen wegzudenken ist. Hier im Büro Düsseldorf wurde eine standortbezogene Auswahl der künstlerischen Positionen getroffen, denn die Stadt mit ihrer Akademie und das Rheinland allgemein spielen eine große Rolle in der Kunst und für die Geschichte der Sammlung Kienbaum. Dies kann auf unterschiedlichen Ebenen passieren: Entweder kommen sie aus der Stadt oder haben hier länger gelebt bzw. studiert oder unterrichtet.

Als Einblick in das Gesamtwerk Imi Knoebels (*1940) dienen die zwei Arbeiten in dem nach ihm benannten Besprechungsraum. Von der Tür aus rechts ist eine fünfteilige Arbeit aus der Serie Anima Mundi zu sehen. Hier geht der Künstler einer tiefen Farben- und Formanalyse nach, indem er die Bildfläche durch unterschiedliche Farbfelder gliedert und eingrenzt. Insbesondere spielt er mit der Harmonie und dem Kontrast zwischen den unterschiedlichen eingesetzten Farben. Durch die strenge Aufteilung der Felderentsteht eine Rhythmisierung, die die Serie verbindet. Die Farbenkombination lockert die Stränge auf und verweist auf das autarke Dasein der einzelnen Malereien.

Der Titel bleibt vom Künstler unerklärt; er soll einen Dialog zwischen Werk und Betrachtenden anregen.
Gegenüber hängt eine kleine polygonale Plastik aus der Serie Kindersterne, die Knoebel seit 1989 für gemeinnützige Zwecke schafft. Durch die Veräußerung der vom Künstler geschaffenen Werke werden Förderprojekte für benachteiligte Kinder unterstützt. Die Arbeiten dieser Serie zeichnen sichdurch den über die Jahre gleich gebliebenen sternförmigen, elfeckigen Aufbau und eine variierende monochrome Oberfläche aus.

Birgit Werres (*1962) ändert industriell vorgefertigte Dinge durch Kombination von nicht zusammengehörigen Elementen. Sie findet ihre Materialien auf den Lagerplätzen, in den Produktionsstätten der Industrie oder bei Fachmessen, die sie immer wieder besucht. Auf der rechten Wandseite befindet sich ein Paradebeispiel dieser Vorgehensweise: Die von Werres oft verwendete bunte Folie aus Kunststoff wurde gerollt, gefaltet und geknickt, schließlich durch einen breit geflochtenen Maschendraht umhüllt.

Das Gegengewicht zur plastischen Arbeit gibt das kleine, aber doch kräftige Werk zur Linken, in dem die Künstlerin ein filigranes Netz aus Stoff auf einer schwarzen Pappe anbrachte. In den Arbeiten lassen sich gewisse Analogien finden: zum einen die geflochtene Struktur des Rasters, zum anderen der Kontrast der Farben, denn eine ist immer flächig und kräftig, die andere filigran. Die Wahrnehmung von Form und Farbe sowie das Erwecken eines ästhetischen Gefühls stehen hier im Mittelpunkt.

Ganz im Sinne der Schwerpunkte der Sammlung sind die zwei abstrakt wirkenden Mittelformate von Jörg Sasse (*1962) . Die Arbeiten decken eine sehr breite und leuchtende Farbskala ab und erzeugen gleichermaßen ein ausgewogenes Gesamtbild – was auf eine eher homogene Farbverteilung zurückzuführen ist – sowie etwas Verstörendes. Etwas Organisches, Pilzartiges scheint sich im Hintergrund zu bilden, wie es z. B. bei einem feuchten Keller üblich ist. Zudem können die Fotografien an manche paläolithischen Höhlenmalereien erinnern.

In der Tat nutzt der Künstler als Vorlage für diese Werkreihe alte analoge Amateuraufnahmen – die oft aus Keller- oder Dachbodenfunden stammen – oder Bilder aus eigener Sammlung, die er einscannt und anschließend durch Photoshop manipuliert bzw. überarbeitet. Damit gibt Sasse dem alten ein zweites Leben und gleichzeitig schafft er eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Schließlich deckt er auf, welcher Eigenschaften des Mediums er sich bedient: des Dokumentarischen, des Malerischen sowie der chemischen Reaktionen und der digitalen Möglichkeiten.

Bei wenigen anderen künstlerischen Positionen ist die Verbindung zu Düsseldorf soeng wie bei der Künstlergruppe ZERO. Umso logischer erschien es, der Bewegung einen eigenen Raum zu geben. Hier können wir einen kleinen Einblick genießen und Werke aller Gründungsmitglieder betrachten. Heinz Mack (*1931 in Lollar), Otto Piene (*1928 in Laasphe; †2014 in Berlin) und Günther Uecker (*1930 in Wendorf) waren Ende der 1950er-Jahre Gründer der ZERO-Bewegung. Diese wurde in Düsseldorf geboren und stellte einen deutlichen Bruch zu der vorherrschenden Kunstströmung, des Informel, dar. Insbesondere sollte es auch ein Neuanfang nach dem Krieg und dessen Gräueltaten sein; eine Kunst frei vom Ballast der Vergangenheit.

Für Otto Piene war neben Licht und Schatten vor allem Feuer ein zentrales Element seiner Arbeit. Hier ist eine Arbeit auf Papier aus 2013 zu sehen. In der oberen Hälfte ist ein leuchtendes, kreisförmiges Objekt, das von zwei weiteren, zart gefärbten Kreisen umhüllt wird. Die Farbskala bewegt sich von Dunkelrot bis Gold, wirkt teilweise wie ein Aquarell und ist an manchen Stellen erhaben. In dieser Arbeit sind viele Referenzen zur ZERO-Bewegung und zu Otto Piene selbst zu finden: Die abstrakte Form O steht sowohl für Otto Piene als auch fü r die ZERO. Zentral ist aber die Technik, denn die kreisförmig aufgetragene Sprühfarbe wurde vom Künstler kurz in Brand gesetzt, wodurch die reliefartigen Elemente und die Vielfalt der Farben entstanden. Der Künstler betont dadurch die Wichtigkeit des Feuers für sein Werk.

Im Besprechungsraum Mario Reis (*1953) und im angrenzenden Flurbereich werden insgesamt fünf Arbeiten aus der Serie Flussaquarelle des Künstlers präsentiert. Diese gliedern sich in einen ähnlichen Aufbau: Auf einem quadratisch zugeschnittenen Baumwollgewebe ist ein homogener Hintergrund in erdigen Tönen zu sehen. Bei näherer Betrachtung ist festzustellen, dass zwar eine gleichmäßige Grundierung des Gewebes stattgefunden hat, die Bildoberfläche aber eine fleckenartige Verteilung von Pigmenten aufweist. Insbesondere ist eine unterschiedliche Körnung festzustellen.Diese außergewöhnliche Verteilung steht in direktem Zusammenhang mit dem Entstehungsprozess der Arbeiten. Der Künstler hat hier das Baumwollgewebe auf einen Rahmen gespannt und diesen dann in einen Fluss getunkt.

Die Strömung des Flusses machte den Rest: Durch das Fließen des Wassers durch den Stoff hindurch lagern sich kleine Partikel ab, die im Gewebe gefangen werden. Der jeweilige Erdton des Flusses ist maßgebend für die finale Farbe und Oberflächentiefe der Arbeit.

Durch natürliche anorganische Pigmente (die Erdtöne des Flusswassers) entsteht somit ein abstraktes Abbild der Natur; all dies ohne – zumindest erkennbares – Einwirken des Künstlers. Aus dem Prozess entsteht dann auch der Titel der Serie. Die jeweiligen Arbeiten sind mit dem Namen des Flusses und dem Entstehungsjahr versehen. Reis greift öfter auf die Natur oder andere externe Faktoren zurück, um somit die Entstehung seiner Arbeiten zu begleiten. Ein Hinweis dafür ist immer im Titel der Werkserie zu finden: So heißen diese u. a. Zugspuren, Blindzeichnungen oder Oxidationsbilder.

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