WIEN

Die Wiener Kienbaum Filiale gehört zu den ersten internationalen Standorten der Firma. Seit langem ist das Büro im Tuchlauben gelegen – mitten in der Stadt. Der Altbau wurde 2023 sorgfältig saniert und restauriert. Mit der Sanierung ging auch eine Neukonzeption der Räumlichkeiten einher: es sind großzügige Besprechungsräume, Zimmer für konzentriertes Arbeiten und Arbeitsplätze für Teamarbeit entstanden. 

Auch die Sammlung Kienbaum ist in die neugestalteten Räume eingezogen. Bisher wurde die Sammlung nur an allen deutschen Firmenstandorten präsentiert.  Wien ist das erste internationale Büro, in dem die Sammlung ebenfalls zu sehen ist. Die Atmosphäre der Räume wird jetzt bestimmt durch die reizvolle Kombination von Altbau, moderner Büroarchitektur und zeitgenössischer Kunst.

Richard Allen Morris (*1933) ist als Künstler Autodidakt. Während seiner Dienstzeit auf einem amerikanischen Flugzeugträger brachte er sich das Malen mithilfe von Kunstbüchern und Magazinen selbst bei. Trotz seiner langjährigen Karriere bleibt Morris eine relativ unbekannte Figur in der breiten Öffentlichkeit, wird jedoch sehr geschätzt von Kennern der zeitgenössischen Kunst und vor allem von anderen Künstlern. Eine lange Freundschaft verbindet ihn mit David Reed, den Morris kurzzeitig sogar unterrichtete. Richard Allen Morris arbeitet oft mit Acrylfarben und verwendet Techniken wie das Auftragen und Abkratzen von Farbe, um komplexe Texturen zu erzeugen. Dabei integriert er häufig auch Alltagsgegenstände wie z.B. Zeitschriften, Nägel, Schreibwarenartikel und andere nicht-traditionelle Materialien in seine Werke. Gleichzeitig greift er die verschiedensten Strömungen der Kunstgeschichte auf. Seine Werke sind oft abstrakt und erforschen Themen wie Form, Farbe und Textur, wobei sie manchmal subtile narrative Elemente oder humorvolle Anspielungen enthalten. So weckt auch die kleine Malerei Tongue (1963) viele Assoziationen: aus dem Zusammenhang gelöst, wirkt dieses für den Geschmackssinn und für die Sprachbildung wichtiges Sinnesorgan/Muskel irritierend oder gar abstoßend. Manch einen erinnert es aber dann wieder an die berühmte Fotografie von Albert Einstein, an das Logo der Rolling Stones oder auch an Emoticons. Es ist kennzeichnend für die Bildsprache von Richard Allen Morris, dass seine Arbeiten trotz ihres Alters unglaublich zeitlos und jung wirken.

Von David Reed (*1946) versammelt die Sammlung Kienbaum über dreißig Werke aus sämtlichen Schaffensphasen, darunter Schlüsselwerke und ausgesprochen seltene Arbeiten aus dem Frühwerk. Das Bild #577 (2007) ist ein ungewöhnlich schmales Hochformat. Die Leinwand hat einen zweigeteilten Hintergrund aus rosa und hellblau, darüber liegt eine dunkelgraue Schicht. Durch Überlagerung, Verschiebung, Unterbrechung und Aussparung schafft David Reed in der planen Fläche eine Plastizität von fast dreidimensionaler Wirkung.

David Reed ist ein Maler, der sich intensiv mit der Malereigeschichte auseinandersetzt. Er interessiert sich z.B. sehr für spanische und italienische Barockmalerei, studiert intensiv die verwendeten Farben und wie mit diesen eine bestimmte Stofflichkeit – ob Samtmantel oder gefalteter Stoff – erzielt wird. Seine Werke haben die Erscheinung von schnell gemalten Bildern, dahinter liegt aber ein langwieriger Prozess. Einen guten Eindruck in die Arbeitsweise von David Reed gibt sein Kienbaum Artists‘ Book von 2008. In diesem hat der Künstler erstmals seine Arbeitszeichnungen veröffentlicht. 

Cerith Wyn Evans (* 1958) beschäftigt sich in seinen Werken mit Sprache und Wahrnehmung und bedient sich dabei eine Vielzahl von Medien, darunter Installation, Skulptur, Fotografie, Film und Text. Seine Karriere hatte er als Filmemacher kurzer experimenteller Filme begonnen und bis heute tauchen in seinen Arbeiten vielschichtige Bezüge zu Literatur, Poesie, Philosophie, Theorie, Filmgeschichte und moderne Naturwissenschaften auf. Bei der Lichtinstallation E=Q=U=A=L=S (2010) formt der Künstler das Gleichheitszeichen in weißen Neonröhren nach. Diese Arbeit könnte mit Konkreter Poesie verglichen werden, wo die räumlichen und visuellen Qualitäten eines Zeichens ebenso wichtig und bedeutungsvoll werden wie das, was es bedeutet. Dennoch bleibt gerade die inhaltliche Bedeutung rätselhaft, da der Künstler dem 

Betrachter überlässt, was jeweils auf den beiden Seiten des Gleichheitszeichens zu stehen hat oder was im Gleichgewicht gehalten werden muss.

Wer mehr über die Arbeit von Cerith Wyn Evans erfahren möchte, hat seit Januar 2024 die Möglichkeit seine großen, ortsspezifische Lichtinstallation Forms through folds (ascending) (2024) in der Karlskirche in Wien zu sehen. Im Rahmen des Programms Karlskirche Contemporary Arts wurde der Künstler eingeladen ein Werk zu schaffen, dass auf die Architektur der barocke Kirche Bezug nimmt. Seine tonnenschwere Neonarbeit füllt die Kuppel aus, setzt das Fresko in „neues“ Licht und scheint doch schwerelos im Raum zu schweben.

Auch im Werk Texte zur Theorie des Films (1996) von Peter Zimmermann (*1956) wird ein Buch oder das gedruckte Wort in ein Bild übersetzt. Die Werke von Peter Zimmermann sind eine konsequente und andauernde Auseinandersetzung mit Reproduktionstechniken und der Frage, wie diese unseren Umgang mit Bildern bestimmen und unsere Wahrnehmung verändern. Er arbeitet als Maler, Medien- und Objektkünstler. Bekannt wurde er um die 1990er Jahre mit der Serie der Book Cover Paintings, zu denen auch die hier gezeigte Arbeit gehört. Ab Ende der 80er Jahre begann er die Buchdeckel von u.a. Atlanten, Kunstpublikationen, Reiseführern und Reclam-Heften mit Pigment und Epoxidharz auf Leinwand zu übertragen. Die Auswahl der Titel scheint auf den ersten Blick willkürlich, der Inhalt ist nicht unbedingt bekannt; jedoch stellen sich durch das Erscheinungsbild bei vielen eine Vertrautheit ein. Diese Arbeiten thematisieren die unterschiedlichen Wirkweisen von Text und Bild. Sie hinterfragen darüber hinaus das Verhältnis von Original und Abbild oder auch von Vorstellung und Abbild. Durch die Wahl des Materials Epoxidharz beeinflusst der Künstler stark das Erscheinungsbild seiner Werke. Die teils transparenten Schichten lassen Überlagerungen und Tiefe zu. In der glatten Oberfläche spiegelt sich die Umgebung, lässt den Betrachter durch die Reflektion Teil des Kunstwerks werden. Gleichzeitig verhindert der Farbauftrag mittels Epoxidharz die persönliche Handschrift des Künstlers nachzuvollziehen. Rückblickend wird aber genau die Verwendung von Epoxidharz wie ein Erkennungszeichen für die Werke von Peter Zimmerman.

Als Randerscheinung wird eigentlich eher etwas Unwichtiges bezeichnet, das man außer Acht lassen kann. Nicht jedoch bei dieser so betitelten Arbeit von Beat Zoderer (*1955) Denn hier entsteht das Werk erst durch die farbigen Holzleisten -bzw. -klötze, die aneinander geleimt ein Quadrat ergeben, dessen Mitte jedoch frei bleibt. Der Rand hält hier alles zusammen, fügt es zur stimmigen Form und lässt dem Zentrum Spielraum. Das Werk von Beat Zoderer ist wie eine Aufforderung an die Betrachter, die Perspektive zu ändern oder Dinge einmal anders anzugehen.

Beat Zoderer arbeitete erst als Hochbauzeichner in verschiedenen Architekturbüros bevor er dann ab 1979 als freischaffender Künstler Installationen, Skulpturen, Wandobjekte, Papierarbeiten und Collagen schuf. Oft ist kunstfernes Material, das er aus Baumärkten oder Schreibwarenläden bezieht, Ausgangspunkt für sein Kunst: aus alltäglichen Materialien, wie PVC, Bauplatten, Gummibändern, Metallschleifen, Büroartikeln, Parkettbohlen oder Pressspanplatten entstehen geometrische zwei- und dreidimensionale Arrangements, die in den Raum ausgreifen. Sein Werk bewegt sich dabei zwischen Oberfläche und Objekt, zwischen Skulptur und Installation.

In der Lounge laden die beiden Werken von Ludger Gerdes (1954 – 2008) und Gerhard Graubner (1930 – 2013) sowohl zur Meditation wie auch kritischen Reflexion ein.

Auch die Arbeitsweise von Ludger Gerdes war geprägt von einer tiefen Auseinandersetzung mit Raum, Text und Bild, sowie einem starken konzeptuellen Ansatz. Er nutzte Kunst als Medium, um gesellschaftliche, kulturelle und philosophische Themen zu erforschen und zu kommentieren. Seine hier gezeigte Arbeit ohne Titel (1990) besteht aus schwarzen, glänzend lackierten Stahlpunkten, die auf den jeweiligen Installationsort angepasst werden kann. Die Form evoziert die Assoziation einer Uhr, doch die fehlenden Ziffern und Zeiger regen den Betrachter zu Betrachtung und Reflexion an. Denn erst bei genauerem Hinsehen kommt man hinter die eigentliche Irritation, denn der Kreis besteht aus 13 Punkten. Ludger Gerdes‘ Arbeiten sind oft als Reflexion oder Kritik an gesellschaftlichen Zuständen und kulturellen Normen zu verstehen. Durch seine konzeptuellen Werke forderte Gerdes den Betrachter auf, etablierte Sichtweisen zu hinterfragen und neue Perspektiven einzunehmen.

Gotthard Graubner wurde durch seine großformatigen abstrakten Malereien bekannt, die aufgrund ihrer Dreidimensionalität als Kissenbilder oder auch Farbraumkörper bezeichnet werden. 

Für seine Arbeiten wird die Leinwand über mehrere Lagen unterschiedlich saugfähiger Synthetikwatte oder Schaumstoff geschichtet und mit Perlongewebe überspannt. Die Farbe wird mit langstieligen Pinseln, Quasten, Lappen und Besen aufgebracht. Die farbintensiven, körperhaften, wandfüllenden Formate wirken in den Raum hinein.

Seine Bilder haben oft einen Grundton, setzen sich aber aus viele verschiedene Farbennuancen zusammen, so dass fast ein Flimmern entsteht. Das Werk Ohne Titel (Rot) zeigt, wie Graubner die Farbe Rot in all ihren Facetten erforscht, durch die Vermischung mit anderen Farben erscheint das Rot pulsierend und lebendig. Die weichen und diffusen Übergänge und die Tiefe der Farbe schaffen ein Gefühl von Wärme und Intimität.

Graubners Werke sind meditative Erlebnisse. Sie laden den Betrachter ein, sich Zeit zu nehmen und die subtilen Veränderungen und Schattierungen in der Farbe zu beobachten. Die Kombination aus intensiver Farbwirkung und dreidimensionaler Struktur schafft eine immersive Erfahrung, die über die traditionelle Malerei hinausgeht. Graubner selbst sah seine Arbeiten als „Farbraumkörper“, die den Raum und die Atmosphäre eines Raums verändern können. Die Werke wirken oft beruhigend und sind dazu gedacht, den Betrachter in einen Zustand der Reflexion und Kontemplation zu versetzen.

Auch das Werk von Thomas Zitzwitz (*1964) regt den Betrachter zu einer körperlichen Erfahrung ein. Die Größe füllt der Raum aus. Aber vor allem die Oberfläche löst Irritation aus, denn sie ist zwar plan, doch wirkt sie wie ein zerknülltes Papier. Die große Malerei von Thomas Zitzwitz ist mit Hilfe einer Spritzpistole entstanden. Das technische Werkzeug, das normalerweise in der Industrie für den makellosen Auftrag von Lacken verwendet wird, erlebt große Beliebtheit in der Kunst, u.a. Künstlerinnen wie Katharina Grosse verwandeln so ganze Räume in Malereien. Doch bevor Thomas Zitzwitz die Leinwand besprayt, breitet er sie zunächst noch ohne Keilrahmen auf den Boden aus, schiebt Material oder Gegenstände unter den Stoff. Dadurch gibt es Faltenwürfe und Erhebungen, so dass es Teile gibt, die weniger oder gar nicht vom Farbnebel getroffen werden, andere wiederum stark hervortreten. Erst wenn er den Stoff im Anschluss auf den Keilrahmen montiert und die Leinwand wieder eine plane Fläche wird, kann er das Endergebnis sehen. Daher kann man bei seiner Herangehensweise auch von kalkuliertem Zufall sprechen, denn die Erscheinung ist zwar bewusst geplant, aber das finale Aussehen und die Wirkung werden dennoch erst ganz am Ende sichtbar.

Olivier Mosset (*1944) zählt seit Mitte der 1960er-Jahre zu den radikalsten Vertretern einer zeitgenössischen Malerei, die das Ideal künstlerischer Originalität durch Objektivität und Serialität unterwandert. Ausgehend von der Frage, was Malerei ist und wie sie funktioniert, hat er ein vielfältiges Œuvre aus monochromen und abstrakt-geometrischen Werken geschaffen, das sich jeder mystifizierenden Bedeutungszuschreibung verweigert. Mossets Werke stellen reine Farbe und Form dar und regen zu offenen körperlichen Erfahrungen von Oberfläche, Maßstab und Muster an. In dem großen Besprechungsraum dient die kleine achteckige Malerei Untitled (brown) (1994) als klares Gegengewicht zu der zwar großen, aber dennoch „diffusen“ Malerei von Thomas Zitzwitz.

Sol LeWitt (1928 – 2007) war Pionier der Konzeptkunst. Zentral für ihn war, dass die Idee oder das Konzept einer Arbeit wichtiger ist als seine Ausführung. Neben seinen bildhauerischen und installativen Arbeiten, gehören zu seinem Werk auch zahlreiche Arbeiten auf Papier. Zu seinen bekanntesten Werken gehören u.a. Wandzeichnungen, die oft zunächst als Skizzen oder Entwürfe auf Papier erstellt wurden. Diese Entwürfe enthalten detaillierte Anweisungen für die Ausführung der Wandzeichnungen, die oft von Assistenten oder anderen Künstlern umgesetzt wurden. In der Regel sind LeWitts Papierarbeiten präzise und klar strukturiert und trotz ihrer konzeptuellen Strenge zeigen sie eine bemerkenswerte ästhetische Vielfalt, die durch die unterschiedlichen Anordnungen und Kombinationen einfacher geometrischer Elemente und Linien entsteht. Seine große Papierarbeit Untitled (1997) im Flur zeigt einen dunkelroten Punkt auf einem gelbgrünen Untergrund. Die Komplementärfarben rot und grün heben sich matt und flächig und dennoch kontrastreich voneinander ab. Eher unerwartet für die Bildsprache LeWitts ist der unscharfe Rand des Punktes, der wie der Umriss einer Großstadt ausfranst oder eher an handgeschöpftes Papier erinnert – was in diesem Fall vielleicht bewusst auf das verwendete Material hinweist.

Der Künstler Fabián Marcaccio (*1963) setzt sich intensiv mit Transformationsprozessen auseinander. Dabei analysiert er sein eigenes System – die Malerei, das eigene Medium, seine eigene Rolle und auch die Sehgewohnheiten der Betrachter.

Marcaccio macht Elemente aus, die stellvertretend für die Malerei stehen können wie z.B. die Gewebestruktur der Leinwand, die Farbe oder auch der Pinselstrich. Diese Elemente kann man auch in diesem Bild finden: Die Struktur von Gewebe, die von unten nach oben immer feiner wird, bis sie sich aufzulösen scheint; Farbe quillt an einigen Stellen durch die Struktur oder scheint herunterzutropfen; der Pinselstrich zieht sich in einer stark schematisierten, technisierten Form durch das obere Bilddrittel. Die Malerei gilt als eines der ältesten künstlerischen Ausdrucksmittel, wurde schon mehrmals als tot erklärt, aber hat bis heute Relevanz als künstlerisches Ausdrucksmittel und Kommunikationsmedium des Menschen. Für die Erstellung dieser Arbeit hat der Künstler sich eines 3D-Druckers bedient. Er reflektiert in seinem Werk die Auswirkung von automatisierten Fertigungsprozessen wie auch den Einfluss des Digitalen auf das traditionelle Medium der Malerei.

In dieser Arbeit ist natürlich auch eine kritische Reflektion der eigenen Rolle enthalten. Läuft der Künstler Gefahr überflüssig zu werden?

Auf die Erschütterung des Untergrunds (Ground Shifts, so der Titel der Arbeit) reagiert der Künstler mit einer „erweiterten Malerei“: die Veränderung wahrnimmt, sich neusten Techniken zu Nutze macht und die eigene Bildsprache adaptiert. Zur Bezeichnung seiner „erweiterten Malerei“ hat der Künstler eine eigene Wortschöpfung („Paintant“) kreiert, die sich aus den beiden Begriffen „painting“ und „mutant“ zusammensetzt, also eine mutierte Malerei.

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